Restorative Justice-Fachtag 2022
„Ich möchte keine Entschuldigung, ich möchte mein Leben zurück!“
Von Chancen und Grenzen einer Restorative Justice bei sexualisierter Gewalt
Zwei Tage vor der diesjährigen International Restorative Justice Week (#RJWEEK) veranstaltet das TOA-Servicebüro des DBH e. V. einen Fachtag in Aschaffenburg. Kooperationspartner ist der Verein Hilfe für Selbsthilfe, der wie das TOA-Servicebüro in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert.
Thema
Es gibt tiefe Wunden, die heilen am besten, wenn man über sie spricht. Es gibt Fragen, die einem nur Menschen beantworten können, denen man am liebsten niemals begegnet wäre. Es gibt schmerzhafte zwischenmenschliche Verbindungen, die sich erst trennen oder verändern lassen, sobald man sie (wieder-) hergestellt hat. Angebote einer Restorative Justice ermöglichen für solche Begegnungen und Dialoge einen fachgerechten und sicheren Raum. Besonders bei schweren Verletzungen können sich diese Begegnungen lebensverändernd auf die Beteiligten auswirken. Oftmals können Harmonie und Sicherheit zurückgewonnen werden.
In den letzten fünf bis zehn Jahren haben sich einige internationale Studien besonders mit dem Potenzial von Restorative Justice in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt auseinandergesetzt. Es konnte festgestellt werden, dass die Vermittlungspraxis einen empowernden Rahmen schaffen kann, um die Bedürfnisse der Betroffenen und Überlebenden von sexualisierter Gewalt wesentlich besser berücksichtigen und erfüllen zu können, als dies mit klassischen strafrechtlichen Verfahrensweisen und punitiven Reaktionen möglich wäre.1
Für Laien und sogar für einige Fachkräfte scheint Restorative Justice in Fällen sexualisierter Gewalt jedoch zunächst unvorstellbar zu sein. Die Angst vor einer erneuten Viktimisierung der Betroffenen und einer Verfestigung des Machgefälles scheint zu groß. Es wird befürchtet, dass familiäre und sexualisierte Gewalt damit wieder zur ‚Privatsache‘ und die – in der Regel nur im Fokus stehenden – männlichen Täter nicht zur Verantwortung gezogen werden könnten.
Wie es gelingen kann?
Im Rahmen dieses Fachtags laden wir Menschen ein, die andere, bestärkende Erfahrungen gemacht haben. Neben solchen eindrucksvollen und inspirierenden persönlichen Geschichten, geht es um die fachliche Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und möglichen Stolpersteinen, um für die Beteiligten einen fachgerechten und sicheren Raum schaffen zu können. Wie eine restorative Begegnung in der Praxis aussehen kann, zeigt der Film „The Meeting“, in dem ein auf einer wahren Begebenheit basierendes Vermittlungsgespräch dargestellt wird. Im Rahmen von weiteren Panels werden u. a. kollektive Handlungsansätze einer Transformative Justice sowie konkrete community-bezogene Unterstützungsangebote für Haftentlasse vorgestellt und diskutiert. In einem weiteren Panel werden außerdem österreichische Herangehensweisen und Erfahrungen mit dem Tatausgleich speziell bei partnerschaftlicher Gewalt vorgestellt.
Zielgruppe
Der Fachtag richtet sich an alle Menschen, die sich aus beruflichen oder privaten Gründen für aktuelle Entwicklungen, Chancen und Anknüpfungspunkte einer Restorative Justice (Übersetzungsvorschlag: ‚Heilende Gerechtigkeit‘) speziell in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt interessieren: Konfliktvermittler:innen (in Strafsachen), Fachkräfte aus der Opfer- und Täter:innenhilfe, Jurist:innen, Psycholog:innen, Therapeut:innen, Fachkräfte aus der Kinder- und Jugendhilfe, Theolog:innen, Lehrer:innen, Studierende, Betroffene u.v.m.
Programm
Donnerstagabend, 17. November 2022
18:00 Uhr Ankommen: Altstadtführung „Starke Frauen“
19:30 Uhr „Get together“ im fränkischen Nizza am Main
Freitag, 18. November 2022
08:30 Uhr Check-In
09:00 Uhr Grußworte und Einführung in die Veranstaltung
09:30 Uhr Eröffnungsvortrag von Dr. Jenny Künkel (TU Dresden)
10:40 Uhr Kaffee- und Erfrischungspause
11:00 Uhr Plenarinterview in Onlineübertragung:
„Sich voneinander befreien“ – Was es für Betroffene sexualisierter Gewalt bedeuten kann, miteinander zu sprechen (Englisch)
Thordis Elva
Autorin und Aktivistin für die Gleichstellung der Geschlechter, Island
12:30 Uhr Mittagessen
13:30 Uhr Panels:
A: Allparteilichkeit und sexualisierte Gewalt – wie geht das zusammen?
Patricia Reisert und Natascha Bleifuß
Hilfe zur Selbsthilfe e. V., Aschaffenburg
B: Kollektive Verantwortungsübernahme und Transformative Gerechtigkeit bei zwischenmenschlicher Gewalt
Karl, Lotti und Camille
Ignite! Kollektiv, Berlin
C: Circles of Support and Accountability (COSA): Ehrenamtliche unterstützen Sexualstraftäter bei der sozialen Wiedereingliederung
Dr. Mechtild Höing
Avans University of Applied Sciences, Breda (Niederlande)
D: Tatausgleich bei partnerschaftlicher Gewalt – Erfahrungen in Österreich
Bernd Gläser
NEUSTART, Wien (Österreich)
E: Filmvorführung: The Meeting (Englisch)
Parzivial Productions, Galway (Irland)
15:10 Uhr Kaffee- und Erfrischungspause
15:30 Uhr Vorstellung der Panelinhalte
16:00 Uhr Plenargespräch:
Von #metoo, einem ungewöhnlichen Täter-Opfer-Ausgleich und dem Coaching von Überlebenden sexualisierter Gewalt
Mai Nguyen
Traumacoach, Podcasterin und Survivor-Queen, Hannover
17:00 Uhr Abschluss und Ausblick
17:15 Uhr Veranstaltungsende
Tagungsort
Die Veranstaltung wird durchgeführt im
Martinushaus Aschaffenburg
Treibgasse 26
63739 Aschaffenburg
Im Tagungshaus und auf dem gesamten Tagungsgelände gelten die aktuellen, örtlichen Coronahygieneverordnungen. Diese können Sie jederzeit online einsehen. Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Tagungshauses.
Kosten, Teilnahme und Anmeldungsbedingungen
Die Teilnahmegebühr (TN-Gebühr) setzt sich zusammen aus:
Hinweis (*): Die gekennzeichneten Preisangaben beinhalten die gesetzliche Mehrwertsteuer.
Die Verpflegungspauschale umfasst Kaffee, Mineralwasser, Apfelsaftschorle, Obst, ein Stück Kuchen und ein Mittagessen. Das Mittagessen wird zubereitet vom Aschaffenburger Hannebambel Kollektiv (https://hannebambel.de/).
Eine verbindliche Veranstaltungsanmeldung ist bis spätestens zum 31. Oktober 2022 über die Website des TOA-Servicebüros möglich: www.toa-servicebuero.de/rjfachtag2022
Am Ende der Veranstaltung erhalten Sie eine Teilnahmebescheinigung.
Unterkunft
Falls Sie vom 17. auf den 18. November in Aschaffenburg übernachten möchten, stehen Ihnen viele Hotels zur Auswahl. In der Nähe der Tagungsstätte befinden sich beispielsweise:
Goldener Ochse (altes traditionsreiches Haus, zentral)
Karlstraße 16, 63739 Aschaffenburg
Tel.: 0 60 21 - 2 31 32
ibis Styles (Businesshotel)
Elisenstraße 21, 63739 Aschaffenburg
Tel.: 0 60 21 - 45 30 40
https://ibis-styles-aschaffenburg.hotel-mix.de
Konventchen am Stiftsberg (altes historisches Haus, sehr originell)
Stiftsgasse 13, 63739 Aschaffenburg
Tel: 0 60 21 - 21 94 78
B&B Hotel (Business Hotel)
Heinrich-Böll-Straße 1, 63741 Aschaffenburg
Tel.: 0 60 21 - 4 49 60
https://www.hotel-bb.com/de/hotel/aschaffenburg
Rienecker Höfe 1591 (idylisches Wohnen in der Altstadt)
Pfarrgasse 8, 63739 Aschaffenburg,
Tel.: 0 60 21 - 5 84 83 50
Weitere Hotels finden Sie z. B. über die Website der Stadt Aschaffenburg:
https://www.tourist-aschaffenburg.de/home.html
Stadtrundführung
Die Stadt Aschaffenburg zum Kennenlernen: Auf diesem 90-minütigen Stadtrundgang lernen Sie verwunschene Winkel der historischen Altstadt Aschaffenburgs kennen und wandeln auf den Spuren der Mainzer Erzbischöfe und Kurfürsten, der Stiftsherren und Bürger, sowie starken Frauen, die die Stadtgeschichte mitprägten.
Damals wie heute prägen Renaissanceschloss mit Bergfried, Handwerkerviertel und Stiftskirche das Gesicht der Stadt.
Durch die Stadt führt Sie Anne Hundhausen (Künstlerin, Stadtführerin).
Veranstalter
Auf Beschluss von Bundestag und Bundesregierung wurde das Servicebüro für Täter-Opfer-Ausgleich und Konfliktschlichtung (TOA-Servicebüro) des DBH e. V. 1992 als überregionale Zentralstelle zur Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs eingerichtet.
Das TOA-Servicebüro steht für die vermehrte, fachgerechte und deutschlandweite Anwendung der Mediation in Strafsachen und anderen Konfliktvermittlungspraktiken im Sinne einer Restorative Justice. Dabei bedeutet vermehrt eine bundesweit flächendeckende Anwendung in allen geeigneten Fällen. Fachgerecht bedeutet Mindeststandards für die Vermittlungsarbeit festzulegen, Mitarbeiter:innen der Einrichtungen entsprechend auszubilden, die Vermittlungspraxis zu überprüfen und weiterzuentwickeln sowie die Verbindung zur außerhalb des Strafrechts agierenden Konfliktvermittlung zu vertiefen.
Kooperationspartnerin
Der Verein Hilfe zur Selbsthilfe e. V. wurde 1992 auf Initiative eines Bewährungshelfers in Aschaffenburg gegründet. Die Idee ‚Täter-Opfer-Ausgleich‘ war damals bereits aus den USA bekannt und es entstanden in Deutschland erste Fachstellen.
Unterstützt vom TOA-Servicebüro konnte so in Aschaffenburg eine von Strafinstitutionen unabhängige Stelle geschaffen werden, die es den Betroffenen und Verantwortlichen von Straftaten ermöglicht, den durch die Tat entstandenen Konflikt zu klären.
Begleitet werden sie dabei von drei Vermittler:innen in Teilzeit. Inzwischen werden pro Jahr rund 100 Fälle aus dem Erwachsenen- und Jugendbereich bearbeitet. Zuständig ist Hilfe zur Selbsthilfe e. V. für den gesamten Gerichtsbezirk Aschaffenburg-Miltenberg.
Stornierungsbedingungen
Der Rücktritt hat in Textform (per E-Mail, Brief oder Telefax) zu erfolgen und ist bis zum Anmeldeschluss kostenlos möglich. Bei einem späteren Rücktritt bis zum Veranstaltungsvortag (Werktag) wird eine Ausfallgebühr in Höhe von 50 % der Teilnahmegebühr (ohne Unterkunft und Verpflegung) zusätzlich zu den Stornierungsgebühren des jeweiligen Tagungshauses (inkl. Verpflegung) berechnet. Bei Absage am Veranstaltungstag sind die Gesamtkosten zu zahlen. Aus anderen Gründen, z. B. ein Wechsel des/der Dozent:in oder eigene Erkrankung, ist ein Rücktritt nicht möglich. Nichterscheinen von Teilnehmer:innen gilt nicht als Rücktritt. In diesem Fall sind die Gesamtkosten zu tragen.
Absage und Änderung durch den Veranstalter
Der Veranstalter behält sich vor, eine Veranstaltung bei Unterschreitung der Mindestteilnehmer:innenanzahl, bei Schließung des Veranstaltungsortes oder aus Gründen höherer Gewalt abzusagen oder zu verlegen. Bei Unterschreiten der Mindesteilnehmer:innenzahl kann der Veranstalter auch von einer Präsenzveranstaltung zu einer online abgehaltenen Veranstaltung wechseln. Die Möglichkeit von einer Präsenz- auf eine Online-Veranstaltung zu wechseln besteht zudem für den Veranstalter aus sachlichem Grund, wenn dies den Teilnehmenden zumutbar ist. Findet eine Veranstaltung online statt, hat der/die Kund:in die für die Nutzung erforderlichen technischen Voraussetzungen zu schaffen. Der/die Kund:in ist für die Beschaffung und den Unterhalt der benötigten Hardware und die Herstellung einer Verbindung vom eigenen Computer zur online angebotenen Veranstaltung selbst verantwortlich. Der Veranstalter übernimmt hierfür keine Kosten oder Verpflichtungen.
Weitere Informationen finden Sie in unseren Allgemeinen Geschäftsbedingungen:
[1] Siehe z. B. die Arbeiten von Kathleen Daly (2022: Remaking justice after sexual violence. Essays in conventional, restorative, and innovative justice. Den Haag), Angela Marinari (2021: Restorative Justice For Survivors of Sexual Abuse. Bristol), Estelle Zinsstag und Marie Keenan (2019: Restorative Responses to Sexual Violence. Legal, Social and Therapeutic Dimensions. London).